Christlicher Religionsunterricht

Neues Schulfach Christliche Religion ab 2026

Unterzeichneten in Hannover die Vereinbarung zum Unterrichtfach Christliche Religion in Niedersachsen (v.l.n.r.): Landesbischof Dr. Oliver Schuegraf (Schaumburg-Lippe), Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer (Braunschweig), Bischof Thomas Adomeit (Oldenburg, Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen), Kirchenpräsidentin Dr. Susanne Bei der Wieden (Reformierte Kirche), Kultusministerin Julia Willie Hamburg, Bischof Dr. Dominicus Meier OSB (Osnabrück), Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Hildesheim), Landesbischofe Ralf Meister (Hannover) und Weihbischof Wilfried Theising (Vechta).

In Niedersachsen gibt es bald ein neues Schulfach: Die evangelischen Kirchen und katholischen Bistümer in Niedersachsen haben heute (05.09.2025) im Gästehaus der Landesregierung in Hannover eine Vereinbarung mit dem Land Niedersachsen über die Einführung des Unterrichtsfachs „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“ (kurz: Christliche Religion) unterzeichnet.

Anstelle der bisherigen Unterrichtsfächer Evangelische Religion und Katholische Religion wird an den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen ein Religionsunterricht eingeführt, der inhaltlich gemeinsam von den katholischen Bistümern und evangelischen Kirchen in Niedersachsen verantwortet wird. Das Fach wird aufsteigend im Primarbereich und im Sekundarbereich I zum 01.08.2026 verpflichtend eingeführt. In dieser Form ist das Fach einmalig in Deutschland.

„Mit dem neuen Fach ‚Christliche Religion‘ setzen wir ein wegweisendes Zeichen für Dialog und Kooperation. Ein gemeinsam verantworteter Religionsunterricht ist gerade in der heutigen Zeit ein wichtiges zeitgemäßes Signal: Er eröffnet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, über Vielfalt und Unterschiede nachzudenken und Respekt sowie Toleranz gegenüber anderen zu entwickeln. Auf diese Weise wird das neue Schulfach ‚Christliche Religion‘ nicht nur einen wichtigen Beitrag zur religiösen Bildung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen leisten, sondern zugleich die demokratischen Werte, die unser Zusammenleben prägen, deutlich stärken“, sagt Kultusministerin Julia Willie Hamburg, die die Vereinbarung für das Land Niedersachsen unterzeichnet hat.

Im Mai 2021 hatten die kirchlichen Schulreferentinnen und -referenten ein Positionspapier vorgestellt, dass die Weiterentwicklung des bisherigen konfessionellen und konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts zu einem gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht zur Diskussion stellte. Daran schloss sich ein breit angelegter Beratungsprozess auf unterschiedlichen Ebenen an.  Unter anderem luden die Kirchen im Oktober 2022 zu einem Symposion ein, auf dem ein Rechtsgutachten, Stellungnahmen und Perspektiven für einen möglichen christlichen Religionsunterricht in gemeinsamer Verantwortung vorgestellt und beraten wurden. Die offiziellen Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen über die Einführung des neuen Faches begannen zu Jahresbeginn 2023.

Im Dezember 2024 unterschrieben die fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen und die vier katholischen Bistümer eine Vereinbarung über die Einführung eines gemeinsam verantworteten Christlichen Religionsunterrichts. Die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Land im September 2025 ist jetzt der letzte rechtlich notwendige Schritt vor dem Start der Einführung des neuen Faches im Schuljahr 2026/2027.

"Ich bin sehr dankbar, dass Land und Kirchen gemeinsam den Religionsunterricht verantworten und jetzt das neue Unterrichtsfach auf den Weg bringen. Das Besondere des Faches „Christliche Religion“ ist, dass es sich konsequent an den Schülerinnen und Schülern orientiert: an ihren Fragen, ihren Erfahrungen und ihren Antworten“, sagt Bischof Thomas Adomeit (Oldenburg), Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. „Die christliche Religion mit ihren evangelischen und katholischen Grundüberzeugungen bildet dabei die Grundlage und prägt auch die Perspektive auf die anderen Konfessionen wie die Orthodoxie und die anderen Religionen wie Judentum und Islam. Dazu kommen Philosophien und Weltanschauungen. Das Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler religiös gebildet sind und für sich klären können, woran sie „ihr Herz hängen“, was ihrem Leben Sinn und Orientierung gibt und wo sie Gemeinschaft finden. Das ist gerade in dieser Zeit von großer Bedeutung.“

In Niedersachsen haben im Schuljahr 2023/2024 insgesamt gut 536.000 Schülerinnen und Schüler evangelischen, katholischen oder konfessionell-kooperativen Religionsunterricht besucht. Knapp 239.000 Schülerinnen und Schüler nahmen dabei am konfessionell-kooperativen Religionsunterricht teil, 260.000 am evangelischen Religionsunterricht, 37.000 am katholischen Religionsunterricht. 218.000 Schülerinnen und Schüler entschieden sich für die Teilnahme an den Fächern Werte und Normen und Philosophie. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die am christlichen Religionsunterricht teilnehmen, lag in Niedersachsen damit im Schuljahr 2023/2024 bei 66 Prozent. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die der evangelischen oder katholischen Kirche angehören, betrug 2023 rund 53 Prozent. Wie bisher sind Schülerinnen und Schüler anderer Konfessionen oder Religionen sowie ohne Konfession eingeladen, auf eigenen Wunsch an dem neuen Unterrichtsfach teilzunehmen.

Für die katholische Kirche sagt Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Bistum Hildesheim): „Das neue Unterrichtsfach ist die konsequente Weiterentwicklung des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts, der seit über zwei Jahrzehnten in Niedersachsen erfolgreich praktiziert wird. Das neue Fach bietet jungen Menschen Orientierung durch das gemeinsame und zugleich vielfältige Zeugnis christlicher Werte. Es zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf, reflektiert sie und macht so konfessionelle Vielfalt zum Thema, aber auch die der anderen Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen. Dabei fördert es die Fähigkeit zu einer differenzierten Wahrnehmung und zur Identitätsbildung – verbunden mit einer dialogorientierten Offenheit gegenüber anderen Glaubensüberzeugungen und Konfessionslosen. Religiöse Bildung ist mehr als reine Wissensvermittlung in Fragen von Religion. Sie ist Einladung zur Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen, zur Reflexion über Lebensentwürfe und zur Entwicklung einer gesprächsfähigen Identität. Sie schafft Raum für Verständigung, für Dialog, für Respekt, für Mitmenschlichkeit.“ 

Neben den Bischöfen Wilmer und Adomeit nahmen u.a. Bischof Dr. Dominicus Meier OSB (Osnabrück), die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, Dr. Susanne Bei der Wieden (Leer), die Landesbischöfe Ralf Meister (Hannover) und Dr. Oliver Schuegraf (Schaumburg-Lippe), Weihbischof Wilfried Theising (Vechta), Generalvikar Msgr. Dr. Michael Bredeck (Paderborn) sowie Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer (Braunschweig) an dem Festakt in Hannover teil. Sie haben die Erklärung gemeinsam mit Kultusministerin Julia Willie Hamburg unterschrieben.

Seit rund zweieinhalb Jahren bereiteten Arbeitsgruppen der Kirchen und des Landes die curricularen und organisatorischer Grundlagen für die Einführung des neuen Fachs vor und erarbeiten Fortbildungs- und Konzeptionierungsangebote. Die Kerncurricula für das neue Fach Christliche Religion in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I befinden sich aktuell in der öffentlichen Anhörung und sollen im Herbst dieses Jahres fertiggestellt werden. Danach können die Schulen sie erproben und die schuleigenen Curricula erarbeiten. Die Kommission zur Erarbeitung der Rahmenrichtlinien für das Fach an den berufsbildenden Schulen nimmt in diesen Tagen ihre Arbeit auf. 

"Der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen ist etwas Besonderes und Wertvolles. Er steht als einziges Schulfach unter dem Schutz des Grundgesetzes, weil es bei ihm um die Ausübung der positiven Religionsfreiheit geht. Im Religionsunterricht lernen Schülerinnen und Schüler u.a. ihre eigene sowie andere Religionen und Weltanschauungen besser zu verstehen und in den Dialog mit anderen Überzeugungen zu treten. Dazu bietet jetzt auch das neu konzipierte Fach "Christliche Religion" einen zukunftsfähigen Rahmen sowie viele Chancen und Perspektiven,“ sagt Prälat Prof. Dr. Felix Bernard vom katholischen Büro Niedersachsen. 

„Als vor ziemlich genau sechs Jahren die ersten Gedanken an einen von den Bistümern und Landeskirchen gemeinsam getragenen Religionsunterricht wie bunte Luftballons aufstiegen, waren wir uns nicht sicher, ob diese Idee an der kirchlichen und schulischen Realität zerplatzen würde. Heute nach unzähligen Beratungen, Verhandlungen, Gutachten, Textentwürfen ist sicher, diese Idee war keine heiße Luft, sondern hat neue innovative Möglichkeiten für dieses Unterrichtsfach aufgezeigt“, sagt Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track als Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. „Es sind mittlerweile viele, die mit uns gemeinsam diesen Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler entwickeln und weiterdenken. Dabei haben wir als Kirchen neu unsere Gemeinsamkeiten bestimmt und gelernt, die Unterschiede als Bereicherung zu begreifen.“

Pressestelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen

Weitere Informationen

Neue Informationen vom Kultusministerium zur Implementierung des Faches Christliche Religion

Am 7. Mai 2025 hat das Niedersächsische Kultusministerium in einem Schreiben an die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung Informationen zur Einführung des Faches Christliche Religion veröffentlicht. Das Schreiben gibt einen Überblick über den derzeitigen Planungsstand sowie wichtige Rahmenbedingungen für die Implementierung des Faches.

Der vollständige Text steht Ihnen hier zum Download bereit.

Wegweisende Schritte zum neuen Fach „Christliche Religion“

Nach über vier Jahren Vorbereitung haben die fünf evangelischen (Landes-)Kirchen und die vier katholischen (Erz-)Bistümer in Niedersachsen am 19. Dezember 2024 in der Neustädter Hof- und Stadtkirche in Hannover eine Vereinbarung über dem gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht unterzeichnet. Diese regelt von Seiten der Bistümer und (Landes-)Kirchen die Grundlagen des Faches „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“, so der offizielle Name des christlichen Religionsunterrichts. Dieser soll ab dem Schuljahr 2025/2026 schrittweise die bisherigen Fächer Evangelische Religion und Katholische Religion an allen Schulformen in Niedersachsen ablösen. Erstmals in Deutschland übernehmen damit die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam mit dem Land die Verantwortung für einen christlichen Religionsunterricht.

Im Vorfeld hatten die Konferenz der niedersächsischen katholischen Bischöfe, die Synoden, das Moderamen bzw. Kirchenregierungen der evangelischen Kirchen in Niedersachsen sowie der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen der Vereinbarung zugestimmt. Ende November gab schließlich die Landeskirche Hannover als letzte der evangelischen Kirchen grünes Licht für die landesweite Neuregelung des Religionsunterrichts. Das Besondere an dem neuen Fach sei, dass „hier Ökumene konkret wird“, betonte Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track vor der Landessynode. Das Kirchenparlament unterstützte das Konzept einstimmig.

Feierliche Unterzeichnung in Hannover

Bischof Thomas Adomeit (Oldenburg), Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, betonte im Rahmen der Unterzeichnung am 19. Dezember 2024 die Innovationskraft des Projektes: „Die heutige Unterzeichnung der Vereinbarung ist ein Schlüsselmoment bei der Einführung des christlichen Religionsunterrichts in Niedersachsen und ein Zeugnis gelebter Ökumene. Das neue Unterrichtsfach bringt die katholische und die evangelischen Kirchen näher zusammen, ohne das Eigene der jeweiligen Konfessionen zu verwischen. Dabei ist es für uns zentral, dass die anderen Konfessionen ebenso wie die anderen Religionen und Weltanschauungen im christlichen Religionsunterricht angemessen dargestellt und behandelt werden.“ Auch Bischof Dr. Heiner Wilmer (Bistum Hildesheim) würdigte die Bedeutung des Schrittes: „Das neue Unterrichtsfach hat Pilotcharakter und wird einen wichtigen Beitrag zur religiösen Bildung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen leisten. Fachleute der Kirchen haben in den vergangenen Jahren in ökumenischer Verbundenheit sehr sorgfältig zusammengearbeitet, um das neue Unterrichtsfach gut an den Start zu bringen.“

Ebenfalls anwesend war die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg, die sich erfreut über die Vereinbarung zeigte: „Ich begrüße die außerordentliche Kooperationsbereitschaft der Kirchen in Niedersachsen sehr und gratuliere zu dieser wegweisenden Vereinbarung. Ein gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht ist ein – gerade in der aktuellen Zeit – wichtiges zeitgemäßes Zeichen für Dialog und Kooperation und bildet die Vielfalt in unserer Gesellschaft ab. Schülerinnen und Schüler können Pluralität und Heterogenität reflektieren sowie Respekt und Toleranz anderen gegenüber entwickeln.“

Landesschülerrat begrüßt die Einführung des CRU

Auch der Landesschülerrat Niedersachsen begrüßte diesen Schritt. „Die Zusammenarbeit der Kirchen ist ein starkes Zeichen für Dialog und Verständigung“, so Eduard Hillgert, stellvertretender Vorsitzender des Landesschülerrates. „Ein gemeinsamer Religionsunterricht bietet Chancen für Zusammenhalt – wenn alle Perspektiven berücksichtigt werden“, betonte Matteo Feind, Vorsitzender des Landesschülerrates.

Weitere Schritte bis zur Einführung

Das Land Niedersachsen und die beteiligten Kirchen erarbeiten derzeit eine gemeinsame Erklärung zum neuen Unterrichtsfach, die im Frühjahr 2025 fertiggestellt werden soll. Parallel dazu entwickeln zwei vom Land eingesetzte Kommissionen neue Lehrpläne (Kerncurricula) für die Grundschule und die weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I. Ökumenische Arbeitsgruppen arbeiten an der Planung passender Fortbildungen sowie weiterer Unterstützungsmaßnahmen wie zum Beispiel geeignetem Unterrichtsmaterial.

Der Weg zum Christlichen Religionsunterricht (Juli 2024)

Auf dem 4. Ökumenischen Symposion zur Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts in Niedersachsen (10. Oktober 2022) fand ein Austausch über die Einführung des gemeinsam verantworteten Religionsunterrichts statt. Insbesondere wurden Kritik und Anregungen aus dem Beratungsprozess aufgegriffen. Die auf diesem Symposion entstandene Roadmap (Oktober 2022) bildet die Basis für das weitere Vorgehen und weitere Schritte auf dem Weg zu einem christlichen Religionsunterricht in gemeinsamer Verantwortung.

Für das letzte Jahr vor dem Start des CRU in Niedersachsen haben die ökumenischen Schulreferent*innen eine weitere Roadmap (Juli 2024) entworfen. Dieser Zeitplan soll als Ergänzung zu der bisherigen Roadmap aktuell und kompakt über die nächsten Arbeitsschritte auf dem Weg zu einem gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht in Niedersachsen informieren.

Christlicher Religionsunterricht – ein neues Fach!?

Zu dieser Fragestellung fand im März 2024 in der ARO der Fachtag Religion statt. Wie der Vortrag muss auch dieser Artikel mit dem Hinweis beginnen, dass wir mitten im Prozess der Entwicklung dieses Fachs stehen. Für ein Resümee ist es also noch deutlich zu früh und vielleicht steht es den Mitwirker:innen auch gar nicht zu. Alle Vorüberlegungen, alle Beratungen, alle Beschlüsse werden sich schlussendlich in jeder Unterrichtsstunde, die engagierte Religionslehrkräfte durchführen werden, beweisen müssen. Nichtsdestotrotz können die bisherigen Schritte eine Spur legen, was am Ende des Entwicklungsprozesses auf alle zukommen könnte.

Ganz sicher wird in den kommenden Jahren, welcher Studie oder deren Updates man nun auch immer folgen möchte, die Anzahl der getauften Christ:innen signifikant zurückgehen. Das bedeutet, dass nach dem bisherigen Verteilungskonzept immer weniger Schüler:innen dem Religionsunterricht der christlichen Konfessionen zugeteilt werden, und in der Konsequenz, dass weniger Unterrichtsstunden, weniger Lehrkräfte, weniger Ausbildungsplätze gebraucht werden. Diese Erkenntnis hat die Schulreferent:innen der drei niedersächsischen katholischen Bistümer und der fünf Landeskirchen veranlasst, dass sie frühzeitig über eine Weiterentwicklung des inzwischen seit 1998 ermöglichten KoKoRU nachzudenken. Das gelang im ökumenischen Miteinander vor allem auch deshalb, weil bereits seit vielen Jahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gewachsen war, die ein solches Projekt überhaupt erst ermöglichen konnte. In dem im Mai 2021 veröffentlichten Positionspapier wurden die Eckpunkte eines Religionsunterrichts in gemeinsamer Verantwortung dargestellt.

In diesem Papier wurde bereits auf die organisatorischen und strukturellen Erfahrungen mit dem KoKoRU zurückgegriffen. Gleichzeitig konnte auch auf die umfangreichen Erfahrungen der Religionslehrkräfte gebaut werden, für die in den meisten Schulformen in Niedersachsen die konfessionelle Kooperation nicht mehr zum Ausnahme-, sondern zum Regelfall geworden ist. Aus diesem Grund schloss sich an die Veröffentlichung ein Eineinhalbjähriger Beratungsprozess an, in dem mit Vertreter:innen aller Schulformen, mit Multiplikator:innen der verschiedensten Institutionen und mit diversen Einrichtungen der Kirchen und des Landes sowohl über ihre Erfahrungen mit der Ist-Situation des Religionsunterrichts als auch über die Überlegungen und Perspektiven des Positionspapiers diskutiert wurde. Dieser Beratungsprozess endete und verdichtete sich in einem gemeinsamen Symposion, bei dem nicht nur die Ergebnisse der Beratungen, sondern auch Erkenntnisse aus der Fachwelt zusammenkamen.

Im Dezember 2022 entschlossen sich die Bistümer und Landeskirchen auf Basis der Ergebnisse des Beratungsprozesses und des inzwischen erschienenen verfassungsrechtlichen Gutachtens von Prof. Dr. Poscher, das Land Niedersachsen um die Aufnahme von Verhandlungen zur Einführung eines neuen Unterrichtsfachs zu bitten. Kultusministerin Julia Willie Hamburg hat dieser Bitte dankenswerterweise entsprochen, so dass inzwischen auf vielen Ebenen an der Entwicklung eines neuen Fachs, das den Titel „Christlicher Religionsunterricht“ (CRU) tragen soll, intensiv gearbeitet wird. Insofern kann die Anfangsfrage schon einmal mit einem ja beantwortet werden.

Aktuell - im Mai 2024 - arbeiten zwei Kommissionen daran, curriculare Vorgaben für ein Fach CRU in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I zu entwickeln. Hier besteht insofern noch eine Neuerung, als dass es für die Sek I keine schulformspezifischen Vorgaben mehr geben wird, sondern ein gemeinsames Curriculum, in dem zwischen den verschiedenen Schulabschlüssen differenziert werden soll.

Wie soll nun dieser neue christliche Religionsunterricht organisiert sein? Wesentlicher Eckpunkt des Positionspapiers ist: Das neue Fach muss unter die Rahmenbedingungen des Art. 7 Abs. 3 GG fallen. Das heißt konkret, dass weiterhin ein bekenntnisgebundener Religionsunterricht angeboten werden soll, in dem evangelische und katholische Lehrer:innen als authentische Vertreter:innen ihrer christlichen Konfession den Unterricht aus der Teilnehmendenperspektive erteilen. Die Bistümer und Landeskirchen vertrauen den Religionslehrkräfte der je anderen Konfession, dass diese auch die ihnen bekenntnisfremden Inhalte wertschätzend und im ökumenischen Geist allen Schülerinnen vermitteln werden. Dabei soll auch in Zukunft die je eigene Positionalität, die sowohl bekenntniseigenen wie auch bekenntnisfremden Inhalten gegenüber (theologisch) kritisch ausfallen kann, wesentlicher Bestandteil ihrer fachlichen Expertise sein und bleiben.

Das Positionspapier schlägt eine gemeinsame Vertretung der Bistümer und Landeskirchen gegenüber dem Land Niedersachsen vor. Der CRU soll Pflichtfach für alle evangelischen und katholischen Schüler:innen sein und ein Wahlfach für alle weiteren interessierten Schüler:innen. Die Ausbildung der angehenden Religionslehrkräfte müsste so gestaltet werden, dass Wechsel aus oder nach Niedersachsen in Zukunft keine zusätzliche Hürde erhalten.

Viele Inhalte aus dem bisherigen Religionsunterricht werden auch im CRU wiederzufinden sein. Allerdings dürfte eine Zusammenführung zweier Fächer zu einem neuen Fach nicht ohne Streichungen einhergehen. Außerdem haben die Rückmeldungen im Beratungsprozess gezeigt, dass es markante Desiderate in den aktuellen Lehrplänen gibt, die bei einer Überarbeitung bzw. Neuauflage der Kerncurricula bedacht werden sollten: z. B. die christliche Orthodoxie.

Der eigentliche Paradigmenwechsel könnte sich bei allen theoretischen Vorüberlegungen erst im Unterricht zeigen: den Religionsunterricht vom Gemeinsamen her zu denken, auf Basis des Gemeinsamen zu argumentieren und die sich zeigenden Differenzen zu begründen. Im Konkreten: nicht zuerst das, was die Konfessionen trennt, markieren, und danach nach Gemeinsamkeiten suchen, sondern zuerst das gemeinsame Christliche zu formulieren und die Differenzierungen, da wo sie (für Schüler:innen noch) nennenswert sind, zu erläutern und sie weniger als trennend, sondern in ihrer Vielfalt als bereichernd darzustellen.

Im Sinne der Ausgangsfrage heißt das, dass die Erfahrungen aus dem KoKoRU sich wertvoll im CRU erweisen werden, dass die gewachsenen (ökumenischen) Strukturen in den Schulen die zukünftige Arbeit fördern werden. Vieles was gut war, soll bleiben.

Und jetzt? Der Beratungsprozess, der auch Dank der Beteiligung so vieler Kolleg:innen aus der Praxis so produktiv geworden ist, hat allen (mit-)gestaltenden Gremien und Institutionen die eine und andere Hausaufgabe mit auf den Weg gegeben. Über die weitere Entwicklung, tatsächliche Beschlüsse und deren Konsequenzen informieren die Kirchen auf der gemeinsamen Homepage www.religionsunterricht-in-niedersachen.de. Es lohnt sich diese Seite im Blick zu behalten. Aber auch die Homepages und Newsletter aller beteiligten Institutionen werden ergänzend dazu die neuesten Fakten in die Breite streuen. Die Kirchen bereiten derzeit ihre Unterstützungsformate und -angebote vor, um im Falle konkreter Daten und Rahmenvorgaben umgehend reagieren zu können.

Im Grunde geht es um Begegnung und Vertrauen. Das, was die ersten Schritte zum Positionspapier ermöglichte, das, was so viele Multiplikator:innen bereits seit Jahren in ihren Konferenzen gestalten und weitergeben, das, was so viele Kolleg:innen in der Praxis sowohl mit als auch ohne KoKoRU tagtäglich leben, der ökumenischer Geist macht sich mit großen Schwung daran, die nächste Stufe zu nehmen.

Jens Kuthe – Leiter des Bereichs „Religionsunterricht“ der Schulstiftung im Bistum Osnabrück

Alle wesentlichen Informationen dieses Artikels sind dem Positionspapier der Schulreferent:innen und den Veröffentlichungen auf der gemeinsamen Homepage www.religionsunterricht-in-niedersachsen.de entnommen. Abweichende Nuancierungen sind die Perspektive des Autors und keine kirchliche Stellungnahme.

 

CRU: Neues Buch stellt Chancen des Christlichen Religionsunterrichts vor

Religionsunterricht ist nach dem Grundgesetz ordentliches Lehrfach in den öffentlichen Schulen, doch die Zugehörigkeit der Schülerinnen und Schüler zu einer Religionsgemeinschaft ist inzwischen alles andere als selbstverständlich. Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung religiöser Bildung an öffentlichen Schulen, auf ihre Inhalte, ihre Didaktik, aber zunehmend auch auf ihre Organisation. Die beiden christlichen Kirchen in Niedersachsen arbeiten an einem neuen Reformmodell, einem von beiden Kirchen gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht. Dieser soll über die bisherigen Kooperationsansätze hinausgehen und wirft zahlreiche verfassungs- und kirchenrechtliche, aber auch theologische, insbesondere religionspädagogische Fragen auf. Der jüngst erschienene Band „Christlicher Religionsunterricht (CRU)“, herausgegeben von Hans Michael Heinig, Ansgar Hense, Konstantin Lindner und Henrik Simojoki, greift diese Herausforderungen auf, dokumentiert bestehende Kontroversen und fragt nach den weiteren Perspektiven.

Das Buch ist als Open-Access-Datei kostenlos verfügbar

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Bibliographische Information

Christlicher Religionsunterricht (CRU). Rechtswissenschaftliche und theologisch-religionspädagogische Perspektiven auf ein Reformmodell in Niedersachsen.
Herausgegeben von Hans Michael Heinig, Ansgar Hense, Konstantin Lindner und Henrik Simojoki
(Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart 44)
Mohr Siebeck, Tübingen 2024. XII, 383 Seiten.

Mitteilung des Verlags Mohr-Siebeck zum Buch „CRU“